LIENERT, S., Jüdische Flüchtlingskinder in der Waldeck in Langenbruck, Baselland, 1939-1945.
Von April 1939 bis Oktober 1945 wurde in Langenbruck im Kanton Baselland ein Kinderheim für jüdische Flüchtlingskinder betrieben. Verantwortlich für die "Waldeck", wie das Heim hiess, war das Schweizer Hilfswerk für Emigrantenkinder (SHEK). Im November 1938, als Reaktion auf die "Reichskristallnacht", gelangte das SHEK mit der Bitte an die Behörden, 300 gefährdete Kinder aus Deutschland in die Schweiz einreisen zu lassen. Das Gesuch wurde bewilligt und so kamen im Januar 1939 die ersten Kinder in die Schweiz. Die Hälfte dieser Kinder wurde in der ehemaligen Pension Waldeck in Langenbruck untergebracht. In einer ersten Phase wurde das Heim nach den Gesetzen des orthodoxen Judentums geführt. Im Oktober 1942 zogen die ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner nach Basel. In der Folge wurde die Waldeck als Auffanglager für jüdische Kinder, die mit der neuen Flüchtlingswelle 1942 illegal in die Schweiz gelangt waren, wiedereröffnet. Im Sommer 1944 wurde die Waldeck in ein reines Mädchenheim umgewandelt und um den Flüchtlingen eine Ausbildung zu ermöglichen, wurden durch die jüdische Organisation zur Förderung der handwerklichen Ausbildung jüdischer Jugendlicher, Organisation, Reconstruction, Travail (ORT) im Heim Werkstätte eröffnet. Ende 1944 begannen die Weiter- und Rückwanderungen der Mädchen. Nach Kriegsende nahm die Zahl der Bewohnerinnen des Heimes dadurch so stark ab, dass die Waldeck im Oktober 1945 geschlossen wurde. Das Heim beherbergte während den sechs Jahren seines Bestehens an die 180, ausschliesslich jüdische, Flüchtlingskinder. Da die Flüchtlingskinder die Dorfschule besuchten und in der Landwirtschaft, sowie bei Handwerkern mitarbeiteten, wurde in dieser Arbeit besonders auf die Frage nach Integration oder Isolation der Kinder eingegangen. Die Waldeck dient jedoch nicht nur als Illustration der Beziehungen zwischen der Schweizer Bevölkerung und den jüdischen Flüchtlingskindern. Die Geschichte des Heimes spiegelt jene des SHEK wider und illustriert die Arbeit der schweizerischen Kinderhilfe während den Jahren des Zweiten Weltkrieges. Zudem gibt sie einen Einblick in die Entwicklung der Flüchtlingspolitik zwischen 1938 und 1945.